Wie Bewusstsein funktioniert – und warum Achtsamkeit so wichtig ist

Was hat dein innerer Zustand mit dem Zustand der Welt zu tun? Mehr, als du denkst.
Unser Denken und Fühlen prägen nicht nur unsere persönlichen Entscheidungen, sondern auch unser Verhalten in Beziehungen, Unternehmen und sogar der Politik. Wer sich seiner inneren Prozesse bewusst wird, kann anders handeln – achtsamer, klarer, mitfühlender.
Lies weiter, um zu erfahren, wie innere Zustände entstehen und warum Achtsamkeit die Grundlage für Selbstfürsorge und eine friedlichere Welt ist.
Inhalt
Wie du dich fühlst – und warum das wichtig ist
Wenn du die Frage »Wie geht es dir?« beantwortest, beschreibst du in der Regel eine innere Verfassung, die du im Hier und Jetzt erlebst. Jede Person auf diesem Planeten befindet sich – in diesem Augenblick – in irgendeinem inneren Zustand.
Vielleicht geht es dir gerade gut. Ein anderes Mal empfindest du Ärger. Es könnte sein, dass du dich ängstlich fühlst oder erschöpft und manchmal sogar depressiv. Was du mit der Antwort auf die Frage »Wie geht es dir?« vermittelst, ist deine psychische, emotionale, körperliche und geistige Befindlichkeit in diesem Moment.
Obwohl diese innere Befindlichkeit scheinbar nur das einzelne Individuum betrifft (dich selbst), hat sie in Wirklichkeit sehr viel größere Auswirkungen.
Ich möchte sogar behaupten, dass dieser innere Zustand das Wichtigste ist, um das sich die Menschheit kümmern sollte.
Denn unsere emotionale, geistige und psychische Verfassung entscheidet nicht nur das eigene Glück oder Unglück. Sie bestimmt auch:
- Krieg oder Frieden zwischen den Nationen
- den Grad an Mitgefühl gegenüber der Natur und ihren Geschöpfen
- unsere Entscheidungen im Alltag
Um zu verstehen, weshalb die innere Befindlichkeit der Menschen solche weitreichenden Folgen haben kann, will ich zunächst erklären, wie sich ein emotionaler Zustand in deinem Bewusstsein entwickelt.
Wie ein innerer Zustand entsteht
Die Entstehung eines inneren Zustands lässt sich in drei Phasen gliedern:
Phase 1: Die Perspektive (Gedanken)
Dein innerer Zustand ist eine Perspektive, die du im Hier und Jetzt einnimmst – der Blickwinkel, aus dem heraus du einerseits auf dich selbst und andererseits auf die Welt schaust. Diese Perspektive entsteht, sobald du:
- einem Gedanken genug Aufmerksamkeit schenkst (1. Kraft: Aufmerksamkeit)
- diesen Gedanken glaubst (2. Kraft: Glaube)
Das sind deine 2 großen Kräfte: Aufmerksamkeit und Glaube.
Beispiel
Befindest du dich in einem inneren Zustand, in dem du dich minderwertig fühlst, dann denkst du wahrscheinlich, du seist »nicht gut genug«, »nicht liebenswert«, »nicht intelligent«, »nicht attraktiv« etc.
Deine Aufmerksamkeit muss sich zuerst diesem Gedanken zuwenden (1.Kraft) und dann musst du ihn noch glauben (2.Kraft), ansonsten wirst du die Perspektive nicht sehr lange beibehalten.
Befindest du dich hingegen in einem Zustand von »Überheblichkeit«, dann werden deine Gedanken eher eine Richtung einnehmen von: »Ich weiß es besser«, »Ich kann es besser«, »Ich bin besser als du«, »Es ist mein gutes Recht, mich so zu verhalten«.
Phase 2: Die Emotionen
Ausgelöst durch die innere Perspektive, tauchen unmittelbar die dazugehörigen Emotionen auf – das Gesetz von Ursache und Wirkung.
- Denkst du minderwertige Gedanken über dich → fühlst du dich wahrscheinlich ängstlich, blockiert, depressiv, einsam.
- Denkst du hingegen Gedanken von Überheblichkeit → empfindest du eher Stolz, Aggression oder Ungeduld.
Je stärker du mit einem inneren Zustand identifiziert bist – je mehr du also deinen Gedanken glaubst – desto stärker werden auch die Emotionen sein, die du erlebst.
Beispiel
Bezogen auf die Perspektive von »Minderwert« bedeutet dies, dass die Angst und das depressive Gefühl sich vergrößern, je mehr du glaubst, nicht liebenswert zu sein. Genauso wird in dem Zustand von »Überheblichkeit« dein Ärger oder deine Ungeduld umso stärker, desto überzeugter du davon bist, »recht zu haben«.
Phase 3: Die Handlung
Die innere Perspektive (Gedanken) und deine Emotionen werden dich nun dazu veranlassen, dich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten.
- Im Zustand von »Minderwert« → Flucht in Konsum, Perfektionismus, Selbstkritik.
- Im Zustand von Überheblichkeit → Abwertung anderer, Gesetzesbrüche, Machtansprüche.
Beispiel
Befindest du dich in einem Zustand von »Minderwert«, konsumierst du vielleicht irgendwelche Dinge wie Alkohol, Drogen, Medien usw., um die schmerzhaften Emotionen von Angst oder Einsamkeit besser aushalten zu können. Oder du strengst dich möglicherweise besonders stark an, um alles richtig zu machen, damit dich bloß niemand kritisiert – denn die Kritik erledigt in diesem Zustand ja schon dein „Innerer Kritiker” bis zum Exzess.
Aus der Perspektive der »Überheblichkeit« hingegen kann es sein, dass du andere Menschen andauernd kritisierst und abwertest. Vielleicht wirst du sogar Gesetze missachten, weil du aus deinem Größenwahn heraus der Meinung bist, dass es dir zusteht dir zu nehmen, was du haben willst.
Dein Verhalten steht in direktem Zusammenhang mit dem Zustand, in dem du dich befindest. Die innere Befindlichkeit hat also Auswirkungen auf jeden Aspekt deines Lebens.
Sie bestimmt, ob du in der Lage bist, liebevoll mit dir selbst umzugehen und genauso wie du deine Kinder, Partner*innen und Mitarbeiter*innen behandelst. Dies trifft auf jeden Menschen auf diesem Planeten zu – vom Verkäufer im Supermarkt bis hin zur Präsidentin eines Landes.
Beispiel im Unternehmen
Nehmen wir an, der Vorstand eines Unternehmens will eine Entscheidung über die zukünftige Ausrichtung der Firma treffen. Wenn die Vorstandsmitglieder mit einem Zustand von »Gier« identifiziert sind, werden sie hauptsächlich darauf fokussiert sein, so schnell wie möglich den größten Profit herauszuschlagen.
Eine solche Perspektive bringt in der Regel Härte und Unbarmherzigkeit mit sich. Aus diesem inneren Zustand heraus werden ihnen die Konsequenzen für Umwelt, Tiere und Mitarbeiter*innen nicht so wichtig sein.
Beispiel in der Politik
Noch größere Konsequenzen können die inneren Zustände von Politiker*innen haben. Zum Beispiel, wenn der Präsident eines Staates sich in einem Kombi-Zustand von »Überheblichkeit« und »Gier« befindet. Dann kann es sein, dass er in einen Krieg zieht, weil er davon überzeugt ist, dass es sein gutes Recht sei, sich zu nehmen, was er haben will. Aus dieser Perspektive ist ihm dann das Leben anderer Menschen – auch der eigenen Bevölkerung – egal.
Zusammengefasst: die drei Phasen des inneren Zustands
- Ein innerer Zustand wird geboren aus dem Zusammenspiel der beiden Kräfte: Aufmerksamkeit und Glaube. Daraus entsteht eine Perspektive.
- Dieser Blickwinkel erzeugt bestimmte Emotionen.
- Diese Emotionen führen zu Handlungen.
Achtsamkeit als Fürsorge für uns selbst – und für die Welt
Der innere Zustand hat also nicht nur weitreichende Folgen für jeden einzelnen Menschen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft, für die Umwelt und alle Lebewesen auf unserem Planeten.
Darum ist es so entscheidend, dass wir beginnen, den emotionalen, psychischen und geistigen Zuständen von Menschen wesentlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Genau dies tun wir mithilfe der Achtsamkeit. Achtsamkeit ist:
- eine innere Selbstfürsorge
- gleichzeitig eine Fürsorge für die Welt
Wenn wir nicht lernen, mit unseren inneren Zuständen umzugehen, dann werden unsere inneren Zustände auf Dauer mit uns umgehen.
Als ich 1999 in das buddhistische Kloster Plum Village kam und die Achtsamkeitspraxis kennenlernte, war mein erster Gedanke: »Warum habe ich das nicht schon als Kind gelernt?! Mir wäre sehr viel erspart geblieben!«
– Georg Lolos
Die oben beschriebenen Identifikationen wie »Minderwert« oder »Überheblichkeit« sind Perspektivposten im Meer unseres Bewusstseins. Landen wir auf einem dieser Posten, sind wir identifiziert mit ihm und nehmen jetzt von hier aus wahr.
Werden wir hingegen achtsam, dann nehmen wir keinen bestimmten Posten ein. Stattdessen halten wir uns in dem Raum – der Weite – dem Space drumherum auf. Wir beobachten nun – mit etwas Abstand – aus einer stillen Präsenz, die nicht identifiziert ist.
Durch diese wertfreie Wahrnehmung erleben wir automatisch mehr Freiheit, Frieden und Mitgefühl. Dies ist der natürlichste, ursprünglichste aller Zustände. Es ist die stille Präsenz von reiner Anwesenheit. Ein zustandsloser Zustand, aus dem heraus wir mit mehr Klarheit beobachten und weisere Entscheidungen treffen können.
Willst du tiefer in das Thema Achtsamkeit gehen?
Komm gerne in meinen Onlinekurs und starte deinen Weg zu innerer Selbstfürsorge.